Dienstag, 13.9.2022 Sofia (2)
Das Frühstück fiel heute mager aus. Bisher hatte ich in allen Unterkünften einen Wasserkocher, und konnte mir morgens selber Kaffee kochen. Ihr fehlt ihr leider. Ich hatte mir gestern etwas Orangensaft geholt, aber das gleicht es nicht aus.
Karges Frühstück!
Allerdings gibt es überall Kaffeeautomaten in den Straßen, wo man sich Kaffee ziehen kann. Ist aber nicht das gleiche!
Mein kleiner Spaziergang durch die Stadt bestätigt, was mir schon gestern aufgefallen ist. Und auch bei meinem ersten Besuch hier. Das ist irgendwie völlig verfallen. Man sieht immer wieder schöne Altbauten, mit reichlichen Verzierungen, aber alles ist baufällig und kaputt. Die Stadt hat noch viel zu tun!
Schade drum!
Und kalt ist es. 14 Grad, fühlt sich aber kälter an. Mit dünnen Schuhen, Bermudas und T-Shirt ist man vielleicht nicht optimal angezogen.
Mitten in Sofia ist der Serdica-Komplex. Das so bezeichnet man hier die Überbleibsel einer römischen Stadt mit dem gleichen Namen. Sie wurde entdeckt, als man 2010 hier die U-Bahn gebaut hat. Es sind Fragmente von acht Straßen einer frühen christlichen Basilika Bildern und Häusern aus dem vierten bis sechsten Jahrhundert.
Wenig später war mir klar, was Serdica ist. Es ist sicherlich der Name der U-Bahn Station, und es ist der Name der Stelle, wo man die Stadt zuerst entdeckt hat. Aber im Endeeffekt ist Serdica ein großen Teil von Sofia. Wenn man durch die Stadt geht sieht man immer wieder offengelegte Ausgrabungsstellen. Serdica ist quasi überall!
Ein Teil der Ausgrabungen sind im Freien zu besichtigen, ein weiterer Teil ist überdacht. Man kann deutlich die verschiedenen Straßen erkennen und die Gebäude die hier einmal standen.
Sogar Wasserleitungen hat man gefunden.
Man sieht auch deutlich die unterschiedlichen Baumaterialien: mal Natursteine, mal gebrannte Ziegel. Wahrscheinlich unterschiedliche Perioden.
Wenn zwischendurch eine Straßenbahn kommt, die über einem fährt, zittert alles ein bisschen und ja: ich zittere mit.
Und die U-Bahn fährt übrigens unter uns. Beunruhigend, oder?
Insgesamt ist es sehr beeindruckend, was hier alles erhalten geblieben ist. Die Strukturen sind klar zu erkennen, an vielen Stellen findet man noch die alten Mosaiken auf den Fußböden und wenn man die Wasserleitungen sieht: so schlecht sehen die nach 2500 Jahren gar nicht aus…
Das scheint hier wirklich ein strukturelles Merkmal in Bulgarien zu sein. Dadurch dass das Land schon so alt ist und so lange bewirtschaftet wurde, stehen die modernen Orte vielfach auf alten Steinen. Das hatte ich ja schon in Plovdiv gesehen, wo mitten in der Stadt römische Gebäude ausgegraben wurden und hier scheint es noch viel ärger zu sein.
Hier muss man wahrscheinlich bei jedem Tief Bauvorhaben Angst haben, dass es von Archäologen gestoppt wird, weil wieder irgendwelche Steine gefunden
Vielleicht 100 m weiter ist eine Fußgängerunterführung. Da ich auf die andere Straßenseite will, benutze ich sie. Und wo bin ich plötzlich? Ich bin wieder mittendrin in Serdica. Auch hier Ruinen, Straßenfragmente: die alte Stadt ist überall!
Direkt gegenüber von der Serdica ist ein sehr pompöses Gebäude mit einem riesigen Säulengang. Ich habe keine Ahnung was das ist, bin aber mal reingegangen. Innen drin sieht es aus wie eine ehemalige edel Shopping Mall. Allerdings scheint hier auch viel geschlossen zu sein.
Die Stadt wurde gegründet im achten bis siebten Jahrhundert v. Chr. und 45 v. Chr. wurde sie zum Zentrum eines thrakischen Königreiches. Im zweiten Jahrhundert war die Stadt das Zentrum der thrakischen Welt. 447 hat Attila mit seinen Hunnen die Stadt niedergebrannt. 527-565 hatte der Eroberer Justitian die Stadt wieder aufgebaut und die Kirche der heiligen Sofia errichtet und 809 hat Khan Krum die Stadt erobert und ihr den Namen Sofia gegeben. Soweit zur Geschichte.
Und nun auf zu Herrn Lenin! Das sogenannte Sofia Monument steht da, wo bis 2001 eine riesige Statue von Lenin stand. Die weibliche Bronzestatur auf der Spitze hält einen Siegeskranz in der rechten Hand und balanciert eine Eule auf ihrem linken Arm, das zeigt die Weisheit von Sofia an.
Ganz in der Nähe war auch das historische Museum. Hier werden Exponate gezeigt teils aus der ganz alten Geschichte (alte Steine) aber auch aus der jüngeren Geschichte. So sind hier Einrichtungsgegenstände und ganze Zimmer Einrichtungen der Oberschicht zu betrachten, genauso wie Kleidung von vor 100 Jahren. Interessant, wobei ich noch viel interessanter das Gebäude fand. Ein wunderschönes großzügiges Gebäude. Es ist ein altes türkisches Mineralbad, wobei man von den badpezifischen Einrichtungsteilen nichts mehr sieht. Aber der Rest ist fantastisch.
Mittlerweile habe ich gelernt, immer nach einem Senioren Ticket zu fragen. Von alleine rücken Sie das nicht raus, aber wenn man sagt, dass man Senior ist, klappt es meistens. Senioren bezahlen weniger als die Hälfte, und hier in diesem Museum war es sogar umsonst.
Auf dem Weg zu einer kleinen Mittagspause kam ich an Sankt Georgen vorbei. Das ist wohl die älteste Kirche hier in Sofia, und sie ist passenderweise direkt neben einer Ausgrabungsstätte von Serdica.
In der Kirche fand gerade eine Messe statt außerdem waren dort mindestens 20 Bilder in verschiedenen Sprachen dass man nicht fotografieren darf. Der Priester hatte ein kleines Karussell vor sich mit verschiedenen aufgeschlagenen Büchern, und er drehte dann dieses große während seiner Litanei und wechselte so den Text. Cool!
Was man hier auch sieht, sind Bettler. Nicht viele, aber ich habe sie in den anderen Orten nahezu vermisst. In so einem armen Land sollten doch viel mehr Bettler sein? Aber hier sieht man sie.
Mann oder Frau oder egal? Ich durfte sie/ihn aber fotografieren!
Was für eine Stadt. Ich wiederhole mich, wenn ich auf den maroden Zustand von Straßen und Häuser zurückkomme. Circa 80 % aller Gebäude sind in einem schlechten Zustand, viele davon auch ungewohnt mit kaputten Fenstern und die Straßenbahn: Ganz großes Kino! Wenn man drauf kuckt fragt man sich: sind die schlecht foliert oder kommen die Blasen von dem Rost, runter blüht. Das Schienennetz ist katastrophal laut, und wenn die Straßenbahn hier durch die engen Straßen rumpeln, versteht man sein eigenes Wort nicht mehr. Da hat Sofia noch viel zu tun.
Und wenn ich schon am meckern bin, dann vielleicht auch über McDonald’s zu Hause gehe ich da ganz selten hin, aber auf Reisen liebe ich es. Man bekommt für kleines Geld einen guten Kaffee die Toiletten sind immer sauber. Hier in Bulgarien ist das anders. McDonald’s ist generell sehr teuer und die Toiletten stehen den in der bulgarischen Eisenbahn um nichts nach. Das musst du mal raus.
Aber mich stört heute etwas anderes, ich habe irgendwie einen leichten Hexenschuss. Ich muss mit meinen Bewegungen sehr aufpassen, vor allem beim aufstehen und hinsetzen. Beim Gehen geht es einigermaßen, aber natürlich versuche ich, immer alles zu vermeiden, was zu diesem stechenden Schmerz führen könnte.
Doof!
Im vorbeigehen kaufe ich mir bei einer kleinen Bude ein Stück Pizza. Wie ein richtiger Tourist zeige ich im Schaufenster auf die Sorte, die ich haben will und sage dazu „Salami“.
Der Verkäufer erzählt mir daraufhin relativ viel und ja es hört sich etwas italienisch an.
Ich sage nein, ich verstehe nicht, nur englisch. Darauf er: Salami? English Word? Und so hat auch er was gelernt.
Die große Fußgängerzone ist nach wie vor schön. Ich war hier ja schon einmal und es macht Spaß, hier entlangzuflanieren. Ich kaufe mir einen Kaffee und genieße das Treiben.
Mein nächster Besuch galt dem Trinkbrunnen von Sofia. Wenn man böse ist, könnte man es für eine Art Bedürfnisanstalt halten, weil hier hinter halbhohen Mauern lauter kleine Becken sind in die das Wasser rein sprudelt. Man sieht auf den ersten Blick aber nur die Mauern und dahinter die Köpfe der Menschen.
KEINE Urinale!
Allerdings handelt es sich hier um hochwertiges gesundes Wasser. So viel wusste ich. Nachdem ich zwei Fotos gemacht habe bin ich dann mal hin und wollte es probieren. Ich habe mich auf kristallklares eiskaltes frisches Wasser gefreut.
Überraschung!
Das Wasser ist sehr warm, fast heiß und es schmeckt sehr stark nach Schwefel. Also wie eine Medizin, die auch schlecht schmecken muss damit sie wirkt. Es ist immer eine große Überraschung, wenn die Erwartung von der Realität abweicht, man kann sich also meinen Schreck vorstellen, als ich mir einerseits fast die Hand verbrannt habe und als ich trinken wollte dann dieser Geschmack. Aber gesund ist es. Ich fühle mich schon besser!😅
Hier kommen viele Leute hier und fühlen sich das Wasserflaschen. Es scheint sehr beliebt zu sein!
Später war ich dann noch am Womans Market. Dieser Markt wurde im zehnten Jahrhunderts von den Kirchen hier initiiert um einen Platz für Frauen zu finden wo sie untereinander handeln konnten.
Er wird als Touristen Hotspots bezeichnet und man sollte auch ausdrücklich auf Taschendieben achten, aber ich fand ihn recht langweilig.
Riesige Pilze
Fleisch. Essbar?
Es ist ein reiner Obst- und Gemüsemarkt, das hat ja mit Frauen weniger zu tun. Es gibt ein Fleischgeschäft, in dem Fleisch angeboten wird, das wir vielleicht seltener essen.
Dafür sind die Obstpreise gigantisch. Ein Kilo Trauben zum Beispiel für 1,50? Und das sind nicht die günstigsten! Alles andere bewegt sich auf einem ähnlichen Niveau.
Da wollten wir alle doch mal hin….
Hier gibt es wirklich ALLES!
Dann habe ich den Tag noch mit einem kleinen Abenteuer beschlossen . Ich bin durch eine Straße gegangen, die ich als „Straße die Friseure“ bezeichnen würde; wahrscheinlich weiß jeder, was jetzt kommt.
Genau!
Der erste Friseur wollte nicht, und nach langem Hin und her bekam ich raus: Only Maschine.
Das wollte ich dann aber doch nicht. Also weiter zu zwei fröhlichen Türken, die aber auch mehr erzählt haben als als wirklich Haare geschnitten. Das scheint ein internationales Merkmal zu sein an.
Und es war ein Abenteuer. Der eine Kollege sprach und verstand ein wenig Englisch und mit ihm sprach ich ab, was er machen sollte.
Ich sagte hinten und an der Seite vielleicht ein bis 2 cm kürzer.
Er verstand offensichtlich: vielleicht ein bis 2 cm stehen lassen.
Und als er einmal angefangen hatte, konnte ich ihn auch nicht mehr stoppen. Also habe ich jetzt eine Frisur, wie sie Schwiegermütter im allgemeinen sehr schätzen. Aber sie wachsen ja wieder. Daggi fand das aber bei unserem Videogespräch ziemlich doof……muss ich jetzt hierbleiben? Weitere Bilder von mir kommen ab jetzt mit Mütze….
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