Mittwoch, 31.8.2022 Plovdiv - Karlovo - Kazanlak
Ich frage mich immer, wie ich trotz meiner ca. 5 cm dicken Matratze gut schlafe. Aber es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Nur mit der Klimaanlage habe ich Streit. Ohne ist es zu warm, mit ist es zu kalt. So liegt die Fernbedienung neben mir auf dem Bett und ich schalte hin und her.
Nach dem Frühstück bin ich per Bus zum Bahnhof gefahren. Das geht hier ganz gut, weil es immer noch eine Art Schaffner gibt, der einem missmutig das Geld abknöpft. 0,50€ kostet der Spaß. Am Bahnhof erst mal Verwirrung. Laut Anzeige geht mein Zug ab Gleis 14. es gibt aber nur 3 Gleise. Sollte da ein verborgenes Gleis sein, wie in Harry Potter?
Aber dann erkenne ich es: neben Gleis 1 gibt es noch Gleis 11, 12, 13 und 14. Eigenwillige Nummerierung. Mir fiel auch auf, dass auf der Anzeige die 4 kleiner war als die 1. Ich traf dann noch 2 Franzosen, die auch nach Karlovo wollten und die suchten auch nach dem Bahnsteig.
Hier gibt es sogar noch eine Schalterhalle
Von den Bahnleute sprach keiner Englisch und so richtig freundlich waren die auch nicht. Ich hatte aber noch Zeit und so suchte ich mir ein schattiges Plätzchen auf Gleis 14.
Nach einiger Zeit drehte ich mich um und sah: niemanden! Fast alle Leute waren weg. Auch die Franzosen. Da sah ich, dass auf Gleis 11 ein Zug stand, auf dem etwas geschrieben war, das Karlovo heißen könnte. Ich verglich die Schrift mit dem, was in kyrillisch auf meinem Ticket stand und: Treffer. Es war ein moderner Zug, vergleichbar mit unseren S-Bahnen. Ich fand einen schönen Platz und dann kam die Schaffnerin. Sie schaute auf mein Ticket, das ich als Screenshot auf meinem Handy hatte. Sie scrollte hin und her und erzählte dabei sehr viel. Irgendwann aber hob sie ihre Stimme, was ich als Frage interpretierte und mit „sorry, I don‘t understand‘ quittierte. Da schrak sie kurz zusammen, fasste sich aber schnell wieder. Sie rief in den Waggon (das verstand sogar ich): spricht hier jemand englisch? Keiner antwortete. Aber unbemerkt von mir saß hinter mir ein junges Mädchen und die Schaffnerin vermutete richtig, dass sie in der Schule englisch gelernt hatte.
Und nun erfuhr ich, dass ich in Karlovo umsteigen müsse und da den Zug mit der Nummer 30143 suchen müsse, der nach Kazanlak führe.
Ich fand das total süß, wie die beiden sich um mich bemühten. Allerdings wusste ich, dass ich umsteigen musste und die Nummer stand auch auf dem Ticket. Aber gefreut habe ich mich trotzdem riesig.
Der Zug rattert still vor sich hin mit diesem einschläfernden Rhythmus. Taktak, Taktak, Taktak, Taktak….Es ist flach hier, Berge sind nicht zu sehen. Wir kommen an endlosen Sonnenblumenfeldern vorbei und an abgeernteten Weizenfeldern.
Die Bahnhöfe auf der Strecke entsprechen nicht allen unserem Schönheitsideal, aber sie scheinen zu funktionieren. Allmählich gibt es auch wieder Berge, aber nicht so hohe, wie in Bansko.
Die Fahrt in diesem kultivierten, klimatisierten und auch sehr leeren Zug ist sehr angenehm. Die Landschaft zieht vorbei und man sitzt gemütlich mit ausgestreckten Beinen….das lasse ich mir gefallen, das ist die 3 €, die das Ticket für die 2 1/2 stündige Fahrt gekostet hat, allemal wert.
Karlowo liegt am Südhang des Balkangebirges im Rosental, das sich bis Kazanalak (da will ich auch noch hin) erstreckt. Es gibt weniger als 25.00 Einwohner in dieser Stadt, die es seit dem 14. Jahrhundert gibt. Hier wird Rosenöl und Lavendel hergestellt und es gibt eine große Fleischfabrik.
Karlovo ist nicht die schönste Stadt der Welt. Ich habe mir die Zeit genommen, ein paar Schritte hinein zu laufen, bin dann aber auch bald umgedreht. Leider fing es auch an, zu donnern, das finde ich nicht so toll.
Am Bahnhof habe ich mich noch mit den Franzosen unterhalten. Sie sind 1/2 Jahr unterwegs und fahren hauptsächlich per Fahrrad von Frankreich aus über Deutschland, Österreich, Serbien und Bulgarien in die Türkei, von da aus dann über Griechenland und Italien wieder nach Hause. Chappeau!
Zugfahren hier ist auch nicht einfach. Es gibt keine Info, auf welches Gleis wir müssen, aber dem Franzosen fiel auf, dass viele Leute zu einem Zug gingen, der schon länger ganz links auf dem Gleis stand. Fast außerhalb des Bahnsteiges. Ich fragte einen Bulgaren und der sagte: ja! Wie meint der das jetzt? Diese Ja/Nein Geschichte bringt mich noch um. Aber dann habe ich noch in einem Eisenbahnbüro gefragt, und die meinten auch, dass diese Bahn nach Kazanlak geht. Spannend. Wenn gleich der Schaffner kommt, werde ich es wissen.
Spoiler: es war der richtige Zug. Weiter geht es, dieses Mal ohne Klimaanlage und ziemlich rappelig. Die Bulgarische Eisenbahn hat mich wieder! Links ist ein Gebirge, rechts Felder, und dann am Horizont noch mal ein Gebirge. Es ist leicht bewölkt, aber die dunklen Wolken und der Donner sind weg.
Und dann ist Kazanlak da. Ein kleiner, schmuckloser Bahnhof und Google meint: 800m bis zum Hotel. Die schaffe ich trotz der Schwüle auch schnell und bin im Paradies. Ein kleines Zimmer mit bodentiefen Fenstern, einem ultramodernen Bad mit riesiger Dusche und ein Bett mit einer richtigen Matratze. Die Klimaanlage sorgt für angenehme Temperaturen und die zentrale Lage steigert mein Wohlbefinden kolossal.
Kazanalak mit seinen 45.000 Einwohnern liegt im gleichnamigen Kazanalakkessel. Die Stadt wurde um 1300 gegründet und lebt von der Rosenölproduktion. Aber auch Waffen und Musikinstrumente werden hier in nennenswerten Stückzahlen gebaut.
Grund für meinen Besuch hier ist das thrakische Grab.
Von meiner Herberge aus ist es nicht weit bis zum Grabmal. Ich laufe circa eine Viertelstunde und dann stehe ich vor einer Treppe. Jetzt trennen mich, wie ich wenig später weiß, nur noch 130 Stufen von dem Grabenmal. Man macht es einem nicht einfach.
Dieses Schutzgebäude hat man in den 70igern über das Grab gestellt
Unter diesem Hügel ist das Original-Grab
Und dann trat leider Gottes das, was ich auch schon geahnt hatte, ein: das Grabmal darf nicht betreten werden.
Man hat daneben eine naturgetreue Republik geschaffen, um das Original zu schonen. Das liegt vor allem an den Malereien, die nicht der normalen Atmosphäre ausgesetzt werden sollten.
Das ganze liegt in einem Park, und sehr interessant ist auch das Warnschild am Eingang, nach dem – andere Länder - andere Sitten – hier keine Schafe oder andere landwirtschaftliche Nutztiere durchgetrieben werden dürfen.
Das Grabmal von Kazanlak beherbergte einen thrakischen Adeligen und stammt aus dem dritten Jahrhundert v. Chr.
So wie im Original führt ein kleiner Gang etwas tiefer unten in den Berg hinein, in dem man dann das Grabmal besichtigen kann. Aus einem kleinen Vorraum kommt man in die eigentliche, kreisrunde, Grabkammer.
Das Besondere hieran ist, dass die Wände reichhaltig bemalt sind und von dem Leben der damaligen Zeit berichten und wahrscheinlich auch die Familie des Toten darstellen.
Foto vom Fund
Replik: ich denke, der Teppich ist neueren Datums….😁
Gefunden wurde das Grab zufällig, als im Jahre 1944 Soldaten Luftschutzgräben ausgehoben haben. Seitdem zählt das Grabmal zum UNESCO Welterbe und ist entsprechend denkmalgeschützt.
Oben in der Spitze der Kuppel kann man den Verschlussstein sehen. Der Teppichboden ist wahrscheinlich erst später reingekommen.
Das Grabmal ist natürlich, wie alle anderen, auch schon mehrfach ausgeraubt worden, so dass nur noch wenige Fundstücke aus der damaligen Zeit erhalten sind. Das wichtige aber sind eben diese Malereien die die Geschichte und das Alter sehr gut belegen.
Danach kam ich dann auf die hervorragende Idee, mal zu schauen, wo denn das Buzludzha - Monument ist. Dieses Ufo-artige Monument ist eine der Sternstunden der Kommunistischen Partei hier in Bulgarien.
Also gab ich das Buzludzha in Google Maps ein und siehe da es war nur 2 km entfernt.
Jackpot.
Also marschierte ich los und ignorierte auch den Regen, der zwischendurch einsetzt. Opfer müssen gebracht werden. Opfer müssen gebracht werden. Nach einiger Zeit kam ich an dem Ort an, wo dieses gigantische Bauwerk stehen sollte und stand in einer Einfamilienhaussiedlung.
Und dann, wie durch ein Wunder, sah ich das Monument. Es war auf der Spitze eines Berges, circa 20 km Luftlinie von mir entfernt.
Als Ersatz dafür stand ich ganz offensichtlich in der Buzludzha Straße.
(Archivfoto)
Was für ein Mist! Dafür fand ich nicht weit davon ein kleines Café, in das ich mich während des leichten Regens zurückzog und mich bei einer Flasche Bier tröstet. Gibt auf jeden Fall einen Gewinner.
Auf dem Weg ins Hotel kam ich noch am Rosengarten vorbei. Kazanlag ist einer der Hotspots für die Rosenzucht; es gibt auch ein Rosenmuseum hier. Aber der Rosengarten war eine Enttäuschung. Mehr als die hier gezeigten Blumen habe ich nicht gesehen…
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