Dienstag, 6.9.2022 Ruse-Varna
Gestern Abend bin ich noch in einer kleinen механа gewesen. So werden hier die einfachen Restaurants genannt. Sie war in einem kleinen Park und ich war weit und breit der einzige Nicht-Bulgare. Hier im Zentrum ist alles ziemlich touristisch, aber hier hatte ich eher das Gefühl, unter Normalbürgern zu sein.
Eigentlich wollte ich heute Nachmittag mit dem Zug nach Varna fahren, habe mich aber nun für den Früh-Bus entschieden (7:15 Uhr). Ich bin vor dem Wecker wach und mache mir in der Küche ein Frühstück. Dann der Nervenkitzel: Anruf bei der Taxizentrale. Wird sie mich verstehen? Spreche ich die Adresse richtig aus? 5 Minuten später rollt das Taxi vor und 5 Lewa später bin ich am Busbahnhof. Zu früh, aber ich bin da.
20 Lewa kostet das Ticket und nach 3 1/4 Stunden wollen wir am Schwarzen Meer sein.
Die Fahrt ist ganz angenehm. Ich habe eine Bank für mich und die Straße ist ganz ok. Ich döse ein wenig (es ist ja noch früh) und als es heller wird, sieht man, dass wir in einen freundlichen Tag hineinfahren. Wir durchqueren eine hügelige Landschaft, wie oft mit Sonnenblumen- und Weizenfeldern. Darüber ein leicht bewölkter, blauer Himmel.
Und während ich noch Fotos sortiere, kommen wir in Varna an. Es gibt einen großen Busbahnhof und davor eine Bushaltestelle, von der aus ich nach 4 Stationen an meinem Ziel bin.
Fast.
Ich kann erst um 14h einchecken. Ich kann mein Gepäck da lassen, aber nur ungesichert im Flur. Und die Haustüre (es ist ein normales Wohnhaus) steht offen, weil da gerade Bauarbeiten stattfinden.
Shit!
Aber mit Rucksack rumlaufen geht auch nicht. Es soll warm werden.
Die wertvollen Dinge sind alle in meiner Schultertasche; also beschließe ich, mein Notgeld und die Not-Kreditkarte aus dem Rucksack zu fischen und das Risiko einzugehen. Nachher werde ich schlauer sein!
Spoiler: es ist gut gegangen!
Jetzt musste ich das Beste draus machen. Ganz nah bei ist ein riesiger Park, der sich 8 km am Strand entlang erstreckt. Darin gibt es unter anderem auch ein Aquarium, das ich als 1. besuche. Es erinnert mich kolossal an das alte Aquarium, dass früher im Zooviertel von Düsseldorf in den Bunker war.
Kleine Aquarien mit bunten Fischen und große Schaukästen mit in Spiritus eingelegten Meerestieren oder mit ausgestopften Delfinen, Seehunden und anderen Meeresbewohnern.
Die Beschreibung ist in fließendem bulgarisch, so dass ich mich nur auf das konzentrieren muss, was ich sehen kann.
Es ist ein kleines Museum, mit vielleicht 40 Aquarien und einigen Glasvitrinen.
Dienstag scheint ein typischer Tag zu sein, um dieses Museum mit hyperaktiven Kindern, die starke, aufputschende Drogen mit Red Bull runtergespült haben und die die Lautstärke ihrer Stimme noch nicht so ganz regulieren können, zu besuchen. Entzückend !
Nicht weit von dem Aquarium entfernt ist ein kleines Marinemuseum. Naja, Marinemuseum ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, es wirkt eher wie ein Schrottplatz für Marinegeräte. Allerdings gibt es hier von einem ausgewachsenen Torpedoboot über mehrere Hubschrauber und andere kleinere Schiffe auch viele Waffensysteme, die in der Marine benutzt werden, zu sehen.
Aber es tut schon weh, diesen ehemaligen Stolz der bulgarischen Schwarzmeerflotte hier verrotten zu sehen. Das Museum hat ausgerechnet heute geschlossen. Einerseits egal, weil man die meisten Exponate auch von außen sehen kann, aber auch sehr schade, weil man das Torpedoboot auch von innen hätte besichtigen können. Das hätte mich schon sehr gereizt.
Übrigens, Yacht könnte durchaus das Schiff sein von Kapitän George Georgiev, dem ersten bulgarischen Weltumsegler.
Und dann sehe ich zwischen den Bäumen blaues Wasser. Wieder was gelernt: das Schwarze Meer ist gar nicht schwarz. 🙄
Es sieht toll aus, und es ist auch ein seltsames Gefühl ihr am schwarzen Meer zu stehen. Einerseits, weil ich es immer schon mal sehen wollte, andererseits aber der Gedanke, dass quasi gegenüber, auf der anderen Seite, hier ist gerade ein furchtbarer Krieg herrscht. Davon merkt man hier aber nichts. Der Strand ist bewirtschaftet, das bedeutet es gibt Restaurants und Bars und natürlich Liegestühle und Sonnenschirme.
Ich finde es ist auch ganz schön voll, dafür dass es normaler Wochentag ist, aber ich weiß natürlich auch nicht, wie es dir am Wochenende aussieht.
Unerschrocken bin ich dann zur römischen Therme gegangen. Die liegt in bester Lage von Varna, die Römer wussten halt auch, was schön ist. Die Beschriftung am Eingang zur Therme ist eindeutig: die ganze Woche sogar montags ist hier von 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.
Warum ist jetzt hier zu?
Heute ist irgendwie der Wurm drin. Aber auch hier kann man zumindestens ein bisschen was von außen durch den Zaun sehen. Aber es ist schade, weil es eine interessante Anlage zu sein scheint.
Aber da fällt mir etwas ein: ich meine irgendwo gelesen zu haben, dass heute irgendein Hunderter Jahrestag ist zur Befreiung von Bulgarien. Keine Ahnung, von wem die befreit worden sind, wahrscheinlich von den Türken. Wir können es ja nicht immer gewesen sein.
Das erklärt natürlich einiges. Aber das ist nicht schlimm, da ich ja noch mal herkomme, weil ich von hier aus nach Sofia fliege.
An der Therme habe ich mir dann noch einen sündhaft teuren Frappé getrunken, aber man lebt auch nur einmal. Leider machen die den hier immer ohne Zucker. Das muss ich mal ändern!
Um halb 2 bin ich dann zu meiner Unterkunft gegangen und ja: alles war fertig.
Es ist ein kleines Zimmer mit Kochnische und ein winziges Bad. Aber ok. Vor allem die Lage ist superzentral!
Nach einer kurzen Pause bin ich dann noch mal los, um mal auszubaldowern (heraus zu bekommen) wo ich hier essen gehen kann. Dabei kam ich an einem kleinen Schuster vorbei. Das war nicht irgendein Schuster, sondern wirklich so einer vom guten alten Schlag. Der Laden war voll mit Lederresten und Leisten und der Meister saß hinter seinem Tisch und fertigte in Handarbeit offensichtlich Schuhe an. Ich war völlig baff, sowas hatte ich noch nie gesehen. Ich fragte ihn dann, ob ich ein Foto machen dürfen und er nickte, und dann posierte er sogar für mich. Fantastisch!
Ich suche nach einem Restaurant, weil es gut sein kann, dass heute an dem Feiertag viele der vor allem nicht zu sehr touristischen Restaurants früher Schluss machen. Dabei gehe ich so ein bisschen in die Innenstadt von Varna, und das ist wirklich nett hier. Touristisch, aber überall sind kleine Kneipen und Restaurants.
Der Eindruck wiederholt oder verstärkt sich auch in der Fußgängerzone. Klar es ist eine kommerzielle Fußgängerzone und natürlich ist sie auch sehr touristisch, aber sie hat schon. Es macht Spaß, hier durch zu laufen und sich einfach umzusehen. Die Straßen sind sehr breit und haben eher den Charakter von Plätzen als von Straßen. Gefällt mir!
Ich wäre jetzt gerne mal in den Hafen gegangen, wusste aber feststellen, dass da alles gesperrt ist. Dafür gab es auch was anderes: eine Kirmes! So richtig wildgeisterbahn Achterbahn Riesenrad und anderen Fahrgeschäft. Vielleicht nicht so spektakulär hier auf der Düsseldorfer Kirmes, aber trotzdem nicht schlecht.
Aber dann entdecke ich trotzdem noch eine Lücke, wo man zum Wasser kommt. Ist ein großes Hafenbecken, und am Ufer sind viele Restaurants, aber für mich nicht so furchtbar viel zu sehen. Yachthafen ist dahinter, aber da geh ich vielleicht beim nächsten Mal hin.
Die Gegend, in der ich wohne, liegt zwar nahe an der Fußgängerzone und am Strand, ist aber trotzdem ziemlich heruntergekommen. Es ist schmutzig, es stehen viele Ruinen in den Straßen die Bürgersteige sind teilweise unpassierbar; nicht die gute Wohngegend.
Ich denke, es fehlt überall an Geld, vor allem, um die Straßen irgendwie in Ordnung zu halten und zu flicken. Überall sind Schlaglöcher, halb aufgerissene und nur notdürftig reparierte Straßen, die Bürgersteige sind mit Unkraut überwuchert und durch herabhängende Äste von den Bäumen kann man nicht mehr passieren. Es stehen auch einige Autowraks auf der Straße, für die sich auch niemand mehr interessiert. Schade…
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