Freitag, 2.9.2022 Stara Zagora - Veliko Tarnovo



Ein neuer Tag hat begonnen. Wie habe ich geschlafen? Naja, geht so! Das lag zum einen daran, dass mein listiger Vermieter ganz offensichtlich die Klimaanlage programmiert hat, so dass es heute Nacht ziemlich warm wurde. 


Dazu kam, dass in der Wohnung über mir eine Klimaanlage war, deren Kondenswasser auf mein Fensterbrett tropfte. 


Laut tropfte! 


Unregelmäßig laut tropfte! 


Beim Einschlafen habe ich ein paar Schwierigkeiten gehabt und auch nachts bin ich ein paarmal aufgewacht. Aber insgesamt war es okay und die Wohnung war wirklich toll. 

Fast noch toller war das Restaurant gestern Abend, sehr schön an einem See gelegen, mit sehr leckerem Essen. Es gab, wie immer, Schopskasalat, und als Hauptspeise gegrillte Schweineohren. Man muss sich auch mal was gönnen!






Das lasse ich mir gefallen. Heute früh bin ich dann zum Bahnhof gelaufen. Leider ist der Bahnhof hier eine riesige Baustelle, und es gibt keinerlei Hinweise wo man hin muss. So habe ich mich durchgefragt, und jetzt gehe ich davon aus, dass ich tatsächlich im richtigen Zug sitze.

Was für ein Zug!

Es sieht so aus, als ob er von außen nur noch von Rost und der Graffiti zusammen gehalten wird. 

Er ist nicht wirklich sauber, und die Sitze sind legendär durchgesessen. Es sind auch Plastiksitze, die bei 32° sehr angenehm sind. Das wird spannend!












Der Zug ruckelt und schüttelt sich fast schlimmer, als die Rhodopenbahn vor ein paar Tagen. Draußen bewölkt es sich mehr und mehr und ab und zu fallen auch ein paar Tropfen. 


Im Waggon ist viel los. Einmal gehen 4 Frauen durch den Wagen, offensichtlich muss eine oder müssen mehrere auf‘s Klo (das werde ich mir auch noch ansehen). Warum so viele? Ich denke, die brauchen mehrer Frauen, um die Türe zuzuhalten. (Später werde ich erfahren, dass das nicht notwendig war)


Neben mir, auf der anderen Seite des Waggons, sitzt eine junge Frau. Sie hat sehr sehr lange schwarze Haare….an den Armen. 

Man lernt nie aus!










Und so  ruckeln wir durch Bulgarien, vorbei an Feldern, durch lange, dunkle Tunnel, durch Wälder und an Bergen vorbei. Ab und zu halten wir an kleinen Bahnhöfen, aber nach 2 Minuten geht es meist wieder weiter. 


Wir fahren durch die Natur. Während man in Deutschland IMMER an Häusern oder Gehöften vorbeifährt oder durch aneinandergereihte Orte, ist hier nichts. Nur Natur. Wenn man ein Haus sieht, ist es oft eingefallen. 

Telefon-Netz: No! 

Ich denke, hier regiert der Bär oder der Fuchs. Insgesamt scheint die Natur hier besser in Schuss zu sein. Die vielen Bienenstöcke, die man überall sieht, wollen das Glauben machen. Andererseits: die kleine Anzahl an toten Fliegen auf der Windschutzscheibe der Loks spricht eine andere Sprache. Kann aber auch sein, dass die Loks zu langsam sind…










Die Bahnfahrt verläuft dann insgesamt recht eintönig. In der Bank schräg vor mir fangen Leute an, aus Langeweile harten Alkohol zu trinken. Auch schön.

Highlight ist immer, wenn der Zugführer Signal gibt. Das habe ich bei uns lange nicht mehr gehört. Allerdings ist es meiner Meinung nach auch hier überflüssig. Der Zug rappelt so laut, dass er meilenweit zu hören ist. 


Und dann ist es so weit. 2 große Tassen Kaffee und eine halbe Flasche Wasser wollten raus. Todesmutig ging ich zur Zugtoilette.


Vorab gesagt: Ich werde das nie nie nie nie wieder machen. Lieber nässe ich mich ein. 

Es folgt ein Drama (und genau so will ich das verstanden wissen) in 13 Akten:


  1. Akt: die Türe geht nicht auf. Ergebnislos kehre ich zum Platz zurück
  2. Akt: die Türe geht nicht auf. Ein älterer Bulgare kommt zur Hilfe und reißt die Türe mit bloser Muskelkraft auf. Wow!
  3. Akt: ich betrete das Etablissement des Grauens.
  4. Akt: Ich versuche, freihändig (ha ha ha) zu pinkeln, muss mich dann aber, bevor ich hinfalle (das wollen wir nicht) doch an der Wand abstützen. Ich werde jetzt nicht nur die Schuhe wegwerfen  müssen, wahrscheinlich muss die Hand auch amputiert werden. 
  5. Akt: Durch die Wackelei schreibe ich quasi meinen Namen in die Schüssel.
  6. Akt: Fertig
  7. Akt: Die Türe geht nicht auf.
  8. Akt: Die verfickte Türe geht nicht auf. 
  9. Akt: Verdammt, verdammt, verdammt (Scheisse, Scheisse, Scheisse hätte hier besser gepasst)
  10. Akt: mit übernatürlicher Kraft gelingt es mir, die Türe zu öffnen
  11. Akt: ich gehe raus und schaue gelangweilt aus dem Fenster (ich muss mich erst mal beruhigen)
  12. Akt: Ich kehre an meinen Platz zurück
  13. Akt: die Leute grinsen




PS: die Hände habe ich mir NICHT gewaschen; wir wollen das doch nicht schlimmer machen, als es ist!!


Wer eine Reise tut, der kann viel erleben. Schönes und nicht so Schönes……



Weliko oder Veliko kommt näher. Hier werde ich von Stefan abgeholt. Ich kenne ihn nicht, aber das wird sich ändern. Er hatte mir in der Facebook-Gruppe „Bulgarien erleben“ angeboten, mir die Stadt zu zeigen. Ich hatte vorgeschlagen, stattdessen einen Kaffee oder ein Bier zu trinken. Ich bin gespannt…..


Veliko Tavorno war die Hauptstadt des 2. Bulgarischen Reiches (1040 bis 13irgendwas). Es gab hier auch einen Flughafen (heute nur noch Privat- und Lastflieger) viel Industrie, Universitäten und viel Geschichte. Die ältesten Funde stammen aus der Bronzezeit. Eine Spezialität hier ist die Seidenraupenzucht. 


Als der Zug in den Bahnhof einlief, stand Stefan schon da. Ein freundlicher netter Typ, der mich nach kurzer Begrüßung zu seinem Auto brachte. Der Bahnhof liegt tatsächlich ziemlich außerhalb und Stefan bestätigte, dass leider kein Bus fährt. Aber so ist es natürlich viel bequemer! Stefan setzte du mich dann am Hotel ab, und ich habe schnell eingecheckt und meine Wäsche gewaschen. Ab und zu ist halt Waschtag und hier bin ich 2 Tage, da kann die Wäsche trocknen.


Danach rief er an, und wir sind in ein kleines Restaurant gegangen. Bei mir gab es, wie kann es anders sein, Schopska-Salat, ein kleines Bier und einen leckeren Cappuccino. Dazu eine interessante Unterhaltung. 


Stefan war Polizist in Deutschland und ist im Rahmen seiner Tätigkeit öfters hier in Bulgarien gewesen und hängen geblieben. Das ist die stark verkürzte Fassung, trifft es aber ganz gut! Er ist hier verheiratet und lebt sehr gerne hier. 

Manche der deutschen Mitbürger findet er auch nicht so toll. Seiner Meinung nach sind hier viele Esoteriker und Alu-Hut-Träger sowie die allseits beliebten Querdenker. Den Eindruck hatte ich bei vielen Mitgliedern in dem Facebook-Bulgarien-Forum allerdings auch. 


Wir waren eine Weile in dem Restaurant, und leider fing es dann entsprechend der Vorhersage, an, zu regnen. Und das war ganz ordentlich, so dass ich meinen Weg nach Hause unterbrechen musste. 


Ich stellte mich vor ein Geschäft, das die Markise ca. 15cm ausgefahren hatte. Stellte ich mich hier platt an die Wand, gab das etwas Schutz vor den Wassermassen, die nun runterkamen. Nach wenigen Sekunden hörte ich ein Summen. Die Markise fuhr wie von Geisterhand weiter raus.


Nette Leute hier. 


Im Hotel angekommen wurde es bald besser. Also traute ich mich wieder raus. Prompt fing es wieder an, zu regnen. Nicht viel, aber immerhin. Ich lief nur zu einem Supermarkt, was für‘s Frühstück kaufen und wieder zurück. 










Dann hörte es wirklich auf, zu regnen. Also stiefelte ich wieder los, die Schuhe waren eh‘ nass. Ich schlenderte über die Hauptstraße und anschließend durch die sehr hübsche Altstadt. Veliko Tarnovo ist eine nette gar nicht so kleine Stadt, alles wirkt sehr aufgeräumt. Die Berge geben dem Ganzen noch einen zusätzlichen Reitz und die wenigen Ruinen vielleicht auch. Wenn die Stadt mehr Berge hätte, könnte das fast ein Wintersportort in den Alpen sein. 












Kommentare

  1. In China in den 1970er und 1980er Jahren waren die Toiletten in Zügen so.

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